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WIR PROFIS | Sonderheft 2023 | Frank Schmidt im Gespräch

Familiär, professionell, bescheiden: Der Heidenheimer Weg in die Bundesliga

Innerhalb von 16 Jahren hat sich der 1. FC Heidenheim von der Oberliga bis in die Bundesliga hochgearbeitet. Innerhalb dieser Zeit stand nur ein Cheftrainer an der Seitenlinie: Frank Schmidt. WIR PROFIS hat mit dem Aufstiegs- und Meistertrainer der 2. Bundesliga über den spannenden Abschlusskrimi und die Gründe für seine lange Zeit in Heidenheim gesprochen.

WIR PROFIS: Frank, der 1. FC Heidenheim beendete die Saison 2022/2023 als Tabellenerster und löste damit direkt das Ticket für die Bundesliga. Blicken wir kurz zurück: Mit welchen Ansprüchen seid ihr in eure neunte Zweitliga-Saison gegangen?

Frank Schmidt: Ein klassisches Szenario beschäftigte uns auch zu Beginn der vergangenen Spielzeit: In den letzten Jahren hat der 1. FC Heidenheim oft Topspieler an andere Klubs verloren. Das war und ist nichts, was wir nicht gewöhnt wären, es macht unsere Saison aber stets etwas unberechenbarer. Jedes Jahr müssen wir neue Leistungsträger finden und uns anpassen. Wir gleichen das durch große Kontinuität an anderen Stellen aus, zum Beispiel besteht unser Trainerteam schon äußerst lange und ist blendend eingespielt. Unser Torwarttrainer Bernd Weng ist mit 23 Jahren Amtszeit sogar noch länger hier als ich. Dass wir bereits in unsere neunte Saison gingen, half zusätzlich. Die 2. Bundesliga kannten wir zu diesem Zeitpunkt sehr gut.

Unser Augenmerk lag auf dem Klassenerhalt. Das mag rückblickend komisch klingen, mit Blick auf unsere letzten Jahre und die zuvor geschilderte Ausgangslage ist es aber zweifellos nachvollziehbar. Die 2. Liga liegt jedes Jahr eng beieinander. Von Abstiegskampf bis Aufstiegsrelegation war in den letzten Jahren alles dabei.

WIR PROFIS: Wann wurde euch klar, dass der Aufstieg in die Bundesliga gelingen könnte?

Frank Schmidt: Wir haben recht früh gemerkt, dass in dieser Saison mehr drin ist. Unsere Neuverpflichtungen sind exzellent eingeschlagen und haben uns nochmal nach vorne gebracht. Von Woche zu Woche ist der Glaube gewachsen. Mit dem dritten Platz zur Winterpause war klar, dass das eine gute Saison werden kann.

Das war auch die Zielsetzung, die ich meiner Mannschaft zu Beginn der Saison mit auf den Weg gegeben habe: Dass wir mit einem guten Gefühl in diese lange Winterpause gehen und dann mit Selbstbewusstsein in die Rückrunde starten wollen; dass wir die Zeit nutzen können, kurz abzuschalten und zufrieden zu sein, aber den Schalter wieder umzulegen, wenn es weiter geht. Ab da war das Ziel, so lange wie möglich oben mitzumischen.

Der Aufstieg wurde intern aber nie als Ziel ausgerufen. Dafür standen auch vor der Rückrunde zu viele starke Mannschaften hinter uns, die den Anspruch hatten, uns mit einer guten Rückserie wieder hinter sich zu lassen.

WIR PROFIS: Wie war das in den letzten Minuten des letzten Spieltags: Ganz ehrlich, hast du die Hoffnung zu irgendeinem Zeitpunkt aufgegeben und dich mit dem Gedanken an die Relegation angefreundet?

Frank Schmidt: Zunächst einmal wollten wir das Spiel gewinnen und hatten uns das auch so ausgemalt. Dann hatten wir aber auch einige Probleme, wie Verletzungen oder die Hitze. Und das ausgerechnet beim wohl wichtigsten Spiel der Vereinsgeschichte.

In der ersten Halbzeit war Regensburg die bessere Mannschaft, jedoch ohne zu treffen. Zur Halbzeit haben wir etwas umgestellt, konnten uns direkt eine Riesenchance erspielen, sie aber leider nicht nutzen. Dann kamen das 1:0 und das 2:0 für Regensburg. Und gerade nach dem zweiten Gegentor habe ich dann doch kurz ein bisschen gezweifelt. Im gleichen Zuge habe ich aber auch wieder an uns geglaubt.

Dabei hat zum einen der schnelle Anschlusstreffer geholfen, zum anderen haben wir in dieser Saison bereits bewiesen, dass wir auch ein 2:0 drehen können. Mir war stets bewusst, dass das jeder in unserem Team ebenfalls verinnerlicht hat. Der Glaube an den Aufstieg hat uns auch deswegen nie verlassen.

Hinzu kam: In den letzten Minuten haben gefühlt nur noch wir gespielt, was mir von außen trotz des Rückstandes ein gutes Gefühl gegeben hat. Was mich in diesem Gefühl weiter gestützt hat, war das Spiel in Osnabrück, wo ebenfalls zwei späte Tore den Aufstieg gesichert haben und das wir uns auf der Fahrt nach Regensburg im Bus angesehen haben. Sowas bleibt dir im Kopf, wenn du dich plötzlich selbst in einer ähnlichen Situation befindest.

WIR PROFIS: Was sind jetzt die Ziele für die erste Bundesligasaison in der Vereinshistorie?

Frank Schmidt: Eins ist klar: Das ist für uns ein Quantensprung, nicht zuletzt, weil das Niveau noch einmal ein ganz anderes sein wird.

Die Anforderungen an uns werden sich in vielen Bereichen extrem steigern. Wir wissen also, was uns erwartet. Aber: Am Ende des Tages steigst du nicht auf, um wieder abzusteigen. Wir haben uns nicht über all die Jahre hochgearbeitet, um uns dann direkt wieder zu verabschieden. Als Antrieb sollte es für uns alle reichen, dass wir jetzt als Verein unsere erste Spielzeit in der Bundesliga erleben dürfen. Und wir möchten dabei unseren Traum leben, die Spielklasse zu halten und auch noch ein weiteres Jahr dabei zu sein.

Seit dem Aufstieg stehe ich jeden Morgen auf und denke darüber nach, was wir nächste Saison tun müssen, um dieses Ziel zu erreichen. Aber ganz klare Zielsetzungen kann und möchte ich noch nicht ausgeben. Denn: Zum jetzigen Zeitpunkt weiß ich noch nicht mal, wie der Kader für die Saison aussehen wird.

WIR PROFIS: Es war bereits dein vierter Aufstieg mit dem 1. FC Heidenheim. Du hast dich mit dem Verein von unten nach ganz oben gearbeitet – und das als geborener Heidenheimer. Was macht den Verein für dich so besonders und wie sehr fühlst du dich mit Fans, Verein und Stadt verbunden?

Frank Schmidt: Wenn du Fußballtrainer in einer der ersten drei Profi-Ligen bist und das auch noch bei dem Verein, der gleichzeitig in deiner Heimat ist, dann ist das außergewöhnlich. Ich trainiere in der Stadt, in der ich geboren bin, und das über einen langen Zeitraum. Dadurch ist die Verbundenheit riesig.

Hinzu kommt, dass ich den Verein als Cheftrainer von der Oberliga bis in die Bundesliga begleiten durfte und hier wirklich etwas aufbauen und entwickeln konnte. Dabei hatte ich stets das Privileg, mit einem großartigen Trainerteam zusammenzuarbeiten, in dem alle einen Riesenjob leisten. Das wird meiner Meinung nach viel zu selten betont. Ich mache das hier ja nicht alleine (lacht).

Was die Fans betrifft, müssten wir die natürlich selbst fragen (lacht). Aber ich hoffe und denke, dass auch sie spüren und honorieren, dass hier Menschen am Werk sind, die aus der Region kommen und schon sehr lange im Verein sind. Und die auch geblieben sind, wenn ein lukrativeres Angebot im Raum stand oder der nächste Schritt möglich war.

WIR PROFIS: Du bist jetzt seit 2007 Trainer des 1. FC Heidenheims. Was sind die Gründe für diese lange Amtszeit? Was macht man in Heidenheim richtig?

Frank Schmidt: Der 1. FC Heidenheim steht für einen familiären Umgang, ohne professionelles Arbeiten auszuschließen. So eine Konstellation gibt es auf diesem hohen sportlichen Niveau vielleicht noch beim SC Freiburg in Deutschland, darüber hinaus fällt mir kein vergleichbarer Verein ein.

Trotz aller Herzlichkeit sind wir am Ende des Tages ein leistungsorientierter Verein, der Erfolg haben muss. Wir haben hier dennoch ein anderes Verhältnis, durch die Heimat und die Verbundenheit zum Verein. Ich weiß was ich hier habe und mein Chef, unser Vorstandsvorsitzender Holger Sanwald, war auch immer clever genug, frühzeitig mit mir zu verlängern. Das hat mich zum einen in meiner Arbeit immer wieder bestätigt. Zum anderen gilt aber auch: Wer mich kennt, weiß, dass ich immer zu meinem Wort stehe. Für mich ist ein Vertrag verbindlich. Heißt: Wenn ich mich für etwas entscheide, mache ich das mit Haut und Haaren und zu 100 Prozent. Ich verschwinde nicht plötzlich, weil ich ein lukrativeres Angebot bekomme. Das ist es, was ich meinen Spielern vorlebe und von ihnen zu einem gewissen Maße ebenfalls erwarte.

Die Konstellation war immer so, dass der Verein mich weiterhin als Trainer haben wollte. Selbst, wenn es kurzfristig mal nicht so gut lief. Sowas schmeißt du nicht einfach weg, ich weiß dieses Vertrauen absolut zu schätzen, möchte aber auch noch einmal betonen: Auch in Heidenheim musst du Erfolg haben. Da unterscheidet uns nichts von anderen Vereinen. Wir sind hier extrem ehrgeizig.

WIR PROFIS: Du giltst auch als eher bescheidene Person. Was hat dich besonders geprägt?

Frank Schmidt: Meine Kindheit und Jugend! Ich komme aus einem völlig normalen Haushalt. Meine Eltern mussten viel und hart arbeiten, damit es uns gut geht. Fußballerisch bin ich noch zwischen Garage und Bordstein groß geworden.

Neben dieser Zeit war dann sicherlich noch die Zeit bei Alemannia Aachen sehr prägend, gerade die Aufstiegssaison 98/99. In diesem Jahr ist bei mir unfassbar viel passiert: Ich habe geheiratet, meine erste Tochter wurde geboren, wir sind in die zweite Bundesliga aufgestiegen. Allerdings war der Aufstieg überschattet vom Todesfall unseres damaligen Trainers, Werner Fuchs. Er war ein unfassbar guter Trainer und Mensch und ist leider kurz vor dem Aufstieg von uns gegangen – und das auch noch während der Trainingszeit. So etwas vergisst du nicht. In dem Jahr habe ich gefühlt alles erlebt, was das Leben ausmacht. Mit Höhen und Tiefen.

Die wichtigste und prägendste Komponente ist dann aber meine Familie. Ich bin schon seit der Schulzeit mit meiner Frau zusammen und wir haben mittlerweile zwei Töchter. Alle drei arbeiten als Krankenschwestern, was mir hilft, Dinge immer wieder richtig einzuordnen. Ja, Fußball ist wichtig und gibt den Menschen in Deutschland viel. Es ist aber niemals das Wichtigste, da leisten andere in meiner Familie mehr. Das ist auch der Gedanke, nach dem ich lebe: Nimm dich selbst nicht wichtiger, als du bist. Dann werden dich die Leute auch nicht so wahrnehmen.

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