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Stefan Kuntz und der HSV freuen sich auf die Bundesliga 

„Die Euphorie ist natürlich riesig“ 

1988 trat Stefan Kuntz in die VDV ein und hält der Spielergewerkschaft während seiner erfolgreichen Karriere als Spieler (Deutscher Meister 1991, DFB-Pokalsieger 1990, Europameister 1996 und „Fußballer des Jahres“ 1991) und Trainer (U-21-Europameister 2017 und 2021) bis heute die Treue. Im Interview mit WIR PROFIS erklärt er, was seine Ausbildung bei der Polizei damit zu tun hat, wie er als Profi über die Klub-WM gedacht hätte und wie er als Vorstand Sport die Aufstiegssaison des Hamburger SV erlebt hat. 

WIR PROFIS: Stefan, gleich in deinem ersten Jahr als Sportvorstand des HSV ist dem Klub die lang ersehnte Rückkehr in die Bundesliga gelungen. Wie hast du die zurückliegende Saison erlebt und was waren die Stellschrauben für den Erfolg? 

Stefan Kuntz: Es war eine unglaublich intensive und prägende Saison – voller Herausforderungen, aber auch voller wertvoller Erkenntnisse. Zu Beginn ging es vor allem darum, schnell die richtigen Sofortmaßnahmen zu ergreifen. Ein zentrales Thema war es, die Verzahnung zwischen U 21 und Profis enger zu gestalten, um Talente wie Fabio Balde und Otto Stange zügiger an den Profibereich heranzuführen – was erfreulicherweise gut gelungen ist. Im weiteren Saisonverlauf war die Trainersuche eine besondere Aufgabe: Wir wollten unserem Credo treu bleiben, jungen Spielern – und auch jungen Trainern – aus dem eigenen Umfeld eine echte Chance zu geben. Das hat sich am Ende als der richtige Weg erwiesen. Gegen Saisonende war es schließlich wichtig, einer Mannschaft, die in den Vorjahren knapp gescheitert war, emotionale wie taktische Werkzeuge an die Hand zu geben, um Blockaden zu lösen. Die kleine Schwächephase haben wir durch enormen Teamspirit überwunden – das war ein entscheidender Faktor. 

WIR PROFIS: Wie groß ist die Euphorie im Klubumfeld, dass der Ex-Dino jetzt endlich wieder da ist, wo er hingehört? 

Stefan Kuntz: Die Euphorie ist natürlich riesig – und das völlig zu Recht. Aber wir begegnen ihr mit einer gesunden Mischung aus positiver Demut und bodenständigem Ehrgeiz. Unser Anspruch ist es, ambitioniert zu bleiben, aber gleichzeitig nicht den Blick für die Realität zu verlieren. 

WIR PROFIS: Du hast kürzlich verlauten lassen, bei der Kaderplanung für die kommende Saison bedürfe es eines gewissen „Feingefühls“ was den Charakter der Neuzugänge betrifft. Was für Typen braucht der HSV, um nun in der Bundesliga zu bestehen? 

Stefan Kuntz: Jede neue Saison bringt neue Anforderungen mit sich – sportlich wie strukturell. Unser Ziel ist es, einen Kader zusammenzustellen, der nicht nur spielerisch, sondern auch charakterlich harmoniert. Wir suchen Spieler, die unsere Werte teilen, sich mit dem HSV identifizieren und bereit sind, über sich hinauszuwachsen. Das muss natürlich immer im Rahmen des wirtschaftlich Machbaren geschehen – aber genau hier ist Fingerspitzengefühl gefragt. 

WIR PROFIS: Du hast in der Vergangenheit erfolgreich als Trainer gearbeitet, nun hast du als Sportvorstand wieder eine eher administrative Rolle inne. Brauchst du den Wechsel zwischen Trainerbank und Schreibtisch? 

Stefan Kuntz: Für mich ist es gar nicht so entscheidend, ob ich an der Seitenlinie stehe oder im Büro sitze. Was mich antreibt, ist die Herausforderung – der Reiz, mich weiterzuentwickeln und Verantwortung zu übernehmen. Solange diese Elemente gegeben sind, erfüllt mich die Aufgabe. 

WIR PROFIS: Zuletzt blickte Fußballdeutschland gespannt auf die U-21-Nationalmannschaft, mit der du als Trainer ebenfalls große Erfolge gefeiert hast. Was hat „dein“ Team, von dem heute viele ihren Weg in die A-Nationalmannschaft gefunden haben, damals ausgezeichnet? 

Stefan Kuntz: Der Schlüssel zum Erfolg war ein starkes Kollektiv – sowohl im Trainerteam als auch im gesamten Staff. Vor allem aber waren es die Spieler, die bereit waren, ihr Ego dem Team unterzuordnen. Diese Bereitschaft, sich in den Dienst der Mannschaft zu stellen, war außergewöhnlich und hat uns als Einheit stark gemacht. 

WIR PROFIS: Nach deiner Arbeit für den DFB bist du 2021 für zwei Jahre Nationaltrainer der Türkei geworden. Wie hast du die Zeit wahrgenommen? 

Stefan Kuntz: Es war eine unglaublich spannende und lehrreiche Erfahrung. Ich durfte eine neue Kultur, eine andere Art des Fußballspielens und viele talentierte Spieler kennenlernen. Gleichzeitig war der Druck enorm – aber genau das hat die Aufgabe auch so reizvoll gemacht. Rückblickend war es eine unvergessliche Zeit, die mich sowohl beruflich als auch persönlich bereichert hat. 

WIR PROFIS: Hat dir bei dem Schritt deine Erfahrung als Spieler in der Türkei geholfen? Gab es dort noch alte Kontakte von deiner Zeit bei Besiktas Istanbul? 

Stefan Kuntz: Auf jeden Fall. Die Kultur war mir nicht fremd, ich kannte viele Gegebenheiten und Mentalitäten noch aus meiner aktiven Zeit. Und tatsächlich habe ich einige Weggefährten aus meiner Zeit bei Besiktas wiedergetroffen – das war sehr schön und hat den Einstieg erleichtert. 

WIR PROFIS: Apropos Weggefährten: Du bist schon lange Mitglied bei der VDV. Was hat dich damals bewogen, in die Spielergewerkschaft einzutreten? 

Stefan Kuntz: Ja, ich bin schon lange dabei, seit 1988. Als ich noch bei der Polizei war, hatte ich sehr gute Erfahrungen mit der Gewerkschaft der Polizei gemacht. Deshalb war es für mich selbstverständlich, mich auch als Spieler gewerkschaftlich zu organisieren – die VDV war und ist da genau der richtige Ansprechpartner! 

WIR PROFIS: Dass ein Profi, wie du damals, parallel zur Profilaufbahn eine Ausbildung zum Polizisten absolviert, wäre heutzutage eher unüblich. Dennoch: Wie wichtig ist es für junge Profis, dass sie nebenbei berufliche Qualifikationen erwerben? 

Stefan Kuntz: Ich halte das für sehr wichtig! Die Karriere als Fußballprofi ist endlich – und das Ende lässt sich in der Regel sogar relativ genau absehen. Umso bedeutender ist es, sich frühzeitig Gedanken zu machen, was danach kommen kann. Ein zweites Standbein oder zumindest eine Perspektive nach der aktiven Laufbahn hilft enorm, sich innerlich besser auf das Leben nach dem Profifußball vorzubereiten. 

WIR PROFIS: Auch eine Verletzung kann die Profikarriere schlagartig beenden. Du hast dir in deiner Karriere glücklicherweise nur eine einzige größere Verletzung zugezogen – und das kurioserweise nicht mal auf dem Platz … 

Stefan Kuntz: Ja, das war wirklich kurios: Während meiner Zeit in Kaiserslautern bin ich beim Aussteigen aus dem Bus etwas übermütig abgesprungen, dabei unglücklich auf der Bordsteinkante gelandet und habe mir sämtliche Bänder im Sprunggelenk gerissen – ausgerechnet kurz vor meiner ersten Einladung zur Nationalmannschaft. Das war natürlich extrem bitter! Glücklicherweise hat es später ja doch noch mit einigen Länderspielen geklappt – darunter sogar sehr erfolgreiche (lacht). 

WIR PROFIS: Das Thema Verletzungsrisiko spielt auch mit Blick auf die Klub-WM eine große Rolle. Hättest du dich als Profi über ein neues, großes Turnier in der Sommerpause gefreut? 

Stefan Kuntz: Der sportliche Vergleich mit Teams aus anderen Ländern hätte mich durchaus gereizt. Aber am Ende braucht der Körper einfach seine Regenerationsphasen – vor allem über viele Jahre hinweg. Wenn solche Turniere in den Kalender passen sollen, müssen die Spieler ausreichend Pausen bekommen. Sonst leidet langfristig die Qualität – und die Gesundheit. 

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