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Dr. Benjamin Krause über Hatespeech im Netz:

„Meinungsfreiheit ist nicht schrankenlos“

Immer mehr Klubs der Bundesliga und 2. Bundesliga treten Hass und Hetze im Netz entschlossen gegenüber. Doch was, wenn Profis sich bei Hatespeech nicht an ihren Arbeitgeber wenden können oder wollen? Dr. Benjamin Krause – Oberstaatsanwalt der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main und Pressesprecher der ZIT (Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität) – klärt über die Möglichkeiten auf, rechtlich gegen digitale Angriffe vorzugehen.

WIR PROFIS: Herr Krause, welche Möglichkeiten haben Fußballprofis, um sich gegen Hatespeech in Web und Social Media rechtlich zur Wehr zu setzen?

Dr. Benjamin Krause: Fußballprofis haben wie alle Privatpersonen die Möglichkeit, Strafanzeigen wegen Hatespeech zu stellen. Dafür sind insbesondere die Online-Wachen der Polizeibehörden geeignet, die über www.polizei.de erreichbar sind. Für Hass im Netz gibt es dort spezielle Formulare, die mit relativ wenig Aufwand direkt online ausgefüllt und abgeschickt werden können. Allerdings ist auch dafür die Angabe der Personalien und der Anschrift erforderlich. Daneben gibt es in Hessen beispielsweise auch die staatliche Meldestelle https://hessengegenhetze.de, bei der eine Meldung noch einfacher und sogar anonym abgegeben werden kann. Letztlich besteht natürlich auch die Möglichkeit, eine Anwaltskanzlei damit zu beauftragen. In allen Fällen werden die Vorgänge seitens der Polizei an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet, die darüber entscheidet, ob ein Post strafrechtlich relevant ist und ob Ermittlungen aufgenommen werden.

WIR PROFIS: Wann ist bei Hatespeech eine Strafbarkeit gegeben?

Dr. Benjamin Krause: Das ist nicht einfach oder allgemein zu beantworten, sondern in allen Fällen eine Frage des Einzelfalls. Die Staatsanwaltschaften müssen jeweils auch prüfen, ob der angezeigte oder gemeldete Post im Einzelfall von der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit gedeckt ist. Denn dann kann keine Strafbarkeit gegeben sein. Die Meinungsfreiheit ist in Deutschland aber nicht schrankenlos gewährt, sondern muss dann zurückstehen, wenn die Äußerungen die inhaltliche Auseinandersetzung verlassen und in Aggression übergehen oder Dritte unmittelbar einschüchtern. Es gibt also keinen generellen Vorrang der Meinungsfreiheit. Oft ist das eine schwierige Rechtsfrage. Aber in nahezu allen Bundesländern sind spezialisierte Staatsanwaltschaften für diese Fälle geschaffen worden.

WIR PROFIS: Unter welchen Voraussetzungen könnte der Spieler Schadensersatzansprüche stellen oder Schmerzensgeld erhalten?

Dr. Benjamin Krause: Wenn den Betroffenen die Person des Urhebers bekannt ist, kann von diesem Schadensersatz oder Schmerzensgeld verlangt und auch unabhängig von der strafrechtlichen Einordnung der Staatsanwaltschaft vor den zuständigen Zivilgerichten durchgesetzt werden. Wenn es nach der Identifizierung eines Tatverdächtigen und einer Anklage der Staatsanwaltschaft zu einem Strafverfahren vor dem örtlich zuständigen Gericht kommt, ist es Geschädigten von Straftaten aber auch möglich, zivilrechtliche Ansprüche wie Schadensersatz oder Schmerzensgeld unmittelbar im Strafverfahren durchzusetzen (sogenanntes Adhäsionsverfahren). Ein weiterer zivilrechtlicher Rechtsstreit ist dann nicht erforderlich.

WIR PROFIS: Sollte eine Straftat vorliegen - wie kann die Löschung entsprechender Hassbeiträge/-Kommentare erwirkt und vollzogen werden?

Dr. Benjamin Krause: Für die Löschung von Postings haben die Staatsanwaltschaften keine spezielle Befugnis und können dies auch bei einem rechtskräftigen Urteil nicht erzwingen. Trotzdem ist es wichtig, dass strafrechtlich relevanter Hass aus dem Netz verschwindet. Deswegen versuchen wir gemeinsam mit den Polizeibehörden und den Landesmedienanstalten, eine Löschung bei den kooperativen Online-Plattformen zu erreichen, sofern wir die für die Strafverfolgung notwendigen Beweise gesichert haben. Entsprechende Möglichkeiten zur Beantragung von Löschungen haben aber auch alle Privatpersonen und damit auch Fußballprofis.

WIR PROFIS: Welche Nachteile können für Profis entstehen, wenn es zu einem Gerichtsverfahren kommt?

Dr. Benjamin Krause: Wenn es zu einem Gerichtsverfahren kommt und das Gericht es für erforderlich hält, den Betroffenen als Zeugen anzuhören, dann müssen auch Fußballprofis entsprechenden Ladungen nachkommen. Und grundsätzlich muss ein Zeuge im Strafverfahren seinen vollständigen Namen sowie Wohnort, Beruf und Alter angeben. Da bei der Verfolgung von Hatespeech die entsprechenden Posts aber online abrufbar waren und durch die Strafverfolgungsbehörden für das Verfahren als Beweismittel gesichert worden sind, ist eine Zeugenaussage der Betroffenen in aller Regel nicht erforderlich. Zudem sieht das Gesetz vor, dass auch Geschäftsorte statt Wohnorte angegeben werden können, wenn mit der Angabe des Wohnortes eine Gefährdung verbunden sein kann – insbesondere bei „Personen des öffentlichen Lebens“.

WIR PROFIS: Gibt es rechtliche Besonderheiten bei Angriffen gegen Profisportler als „Personen des öffentlichen Lebens“? Welchen Handlungsbedarf gibt es auf Verbandsebene?

Dr. Benjamin Krause: Profisportler haben als „Personen des öffentlichen Lebens“ oft eine große Reichweite. Das bedeutet aber auch, dass es viele Personen wahrnehmen, wenn Profisportler nicht gegen Hatespeech vorgehen. Nach wissenschaftlichen Studien kann dies dazu führen, dass Hatespeech irgendwann als normal angesehen wird und auf alle Bereiche des Alltags durchschlägt, obwohl es sich um Straftaten handelt. Auf der anderen Seite ist in dem Kalender von Profisportlern kein Platz, um wegen jedem Hasspostings einen schriftlichen Strafantrag zu stellen. Deswegen haben sich der DFB und die DFL, aber auch viele Landesverbände dafür ausgesprochen, die Profisportler zu unterstützen und selbst Strafanzeigen bei den spezialisierten Staatsanwaltschaften in den jeweiligen Bundesländern aufzugeben, wenn die „eigenen“ Profis betroffen sind.


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Initiativen und Ansprechpartner in Sachen Cybermobbing, Hatespeech und Co.:

 

  • INTERNETWACHE DER POLIZEI

    Möglichkeit zur digitalen Kontaktaufnahme mit der jeweiligen Landespolizei und zur Online-Anzeigenerstattung.

    www.polizei.de

 

  • WER HETZT, VERLIERT!

    Neu gegründetes Projekt gegen digitalen Hass, dem sich alle Klubs aus Nordrhein-Westfalen der Bundesliga und der 2. Bundesliga angeschlossen haben.

    Kontakt: Zugriff auf das Melde-Portal erhalten Spieler über den eigenen Klub

 

  • ZENTRAL- UND ANSPRECHSTELLE CYBERCRIME (ZAC NRW)

    Einrichtung bei der Staatsanwaltschaft Köln, die als Ansprechpartner für Unternehmen und Behörden aus NRW bei konkreten Sicherheitsvorfällen zur Seite steht. Sie fungiert darüber hinaus als Beratungs- und Vermittlungsstelle bei dem Projekt „Wer hetzt, verliert!“

    Kontakt: knr@asawo-zcn.etl.de oder 0221 477-4922

 

  • ZENTRALSTELLE ZUR BEKÄMPFUNG DER INTERNETKRIMINALITÄT (ZIT)

    Gehört zur Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main und ist erster Ansprechpartner des Bundeskriminalamts für Internetstraftaten bei noch ungeklärter örtlicher Zuständigkeit in Deutschland.

    Kontakt: it.jpeetsssszgaur@.hessen.de oder 069 1367 - 01

 

  • MENTALGESTÄRKT

    Netzwerkinitiative des Psychologischen Instituts der Deutschen Sporthochschule Köln in Kooperation mit der VDV, der Robert-Enke-Stiftung und der Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG) zur Erhaltung und Förderung der psychischen Gesundheit im Leistungssport.

    Kontakt: gt.nek-tmteaedselrnhoassel@dk oder 0221 4982 - 5540

 

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