News

Sportkartellrechtsexperte Mark-E. Orth

„Über das Kartellrecht wird die Freiheit der Athleten sichergestellt!“

Im Dezember 2023 hat der Europäische Gerichtshof in Luxemburg einige bedeutende Urteile in Bezug auf das EU-Kartellrecht gefällt, die sich nicht nur auf die Einführung einer europäischen Super League auswirken dürften, sondern auch die Freiheit der Profis stärken. WIR PROFIS sprach mit dem Sportkartellrechtsexperten Mark-E. Orth über die Hintergründe und Auswirkungen der Urteile.

WIR PROFIS: Herr Orth, Sie sind einer der führenden Anwälte im Bereich des Sportkartellrechts. Warum betrifft dieser Rechtsbereich nicht nur die Verbände, sondern auch die Profisportler?

Mark-E. Orth: Weil das Kartellrecht die Freiheit der Athleten sichert! Athleten können sich mit dem Kartellrecht gegen Regeln der Sportverbände wehren, zum Beispiel gegen Transferbeschränkungen oder mangelnde Möglichkeiten zur Selbstvermarktung. Wenn sich Sportler an europäische Kartellbehörden oder Gerichte wenden, führt das dazu, dass die Macht der Sportverbände und anderer Marktbeherrscher begrenzt wird. Ein Beispiel: Vergangenen Dezember hat der Europäische Gerichtshof im Zuge seines Urteils gegen das Super-League-Verbot durch FIFA und UEFA auch das Thema Selbstvermarktung der Spieler ein Stück weit aufgebrochen. Konkret hieß es dort, dass die durch die FIFA praktizierte Zentralvermarktung eine sogenannte bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstellt, die nur dann zulässig ist, wenn sie konkrete und belegbare Verbrauchervorteile mit sich bringt. Das mag erst einmal abstrakt klingen, hat aber wahnsinnige Auswirkungen auf die Spieler selbst, denn gerade die Persönlichkeitsrechte von Profis werden ja immer wieder zentral vermarktet. Das alles könnte in Zukunft wegfallen oder zumindest deutlich begrenzt werden, wenn es nicht entsprechend gerechtfertigt werden kann. Vor dem spanischen Gericht, welches sich aktuell mit dem Super-League-Fall beschäftigt, konnte der einzige Sachverständige nicht vortragen, dass die zentrale Vermarktung zu Verbrauchervorteilen führt. In Frankreich ist zudem gerade eine spannende Frage zur Beteiligung der Spieler an Erlösen aus dem Verkauf von Sammelbildern vor Gericht. Auch dort geht es um eine zentrale Vermarktung der Persönlichkeitsrechte.

WIR PROFIS: Der EuGH hat auch die UEFA-Home-Grown-Regeln in Frage gestellt. Was bedeutet das für Klubs, Verbände und Spieler?

Mark-E. Orth: Der EuGH hat sich im vergangenen Dezember insbesondere mit der Home-Grown-Regel beschäftigt, wie sie vom belgischen Fußballverband angewendet wird: Die Vorgabe, dass man eine bestimmte Anzahl von Spielern auf dem Match-Sheet eintragen muss, die entweder vom eigenen Klub oder zumindest im Gebiet des belgischen Verbandes – wenn auch von einem anderen Klub – ausgebildet wurden, stellt nach dem EuGH eine Wettbewerbsbeschränkung dar, die zumindest dann unzulässig ist, wenn sie nicht durch ein höheres sportliches Ziel gerechtfertigt werden kann. Genau das erscheint aber zweifelhaft, wenn man bedenkt, dass gar nicht der betreffende Klub die Spieler ausgebildet haben muss, sondern es bereits ausreicht, wenn dieser in Belgien ausgebildet wurde. Der EuGH hat deutliche Hinweise gegeben, dass die Regel mehr als zweifelhaft ist. Konkret wird aber das belgische Gericht zu entscheiden haben, ob die Regel unzulässig ist.

WIR PROFIS: Was war der Kern des EuGH-Urteils zur Super League? Unter welchen Umständen wäre ein paralleler Wettbewerb möglich?

Mark-E. Orth: Der EuGH hat mit seiner Entscheidung im Dezember klargemacht, dass ein Sportverband – in diesem konkreten Fall FIFA und UEFA – einen Wettbewerb wie die Super League grundsätzlich nicht einfach so untersagen kann, nur weil es sich um eine konkurrierende Veranstaltung handelt, da es sich dabei um einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung handeln würde. Maximal kann der Verband eine Art Vorabgenehmigung einführen. Hier hat der EuGH aber sehr deutlich gemacht, dass die Genehmigung dann allerdings auch für den eigenen Wettbewerb gelten muss. Die UEFA kann nicht sagen: Alle anderen Wettbewerbe erfordern eine Genehmigung, die UEFA Champions League aber nicht. Zudem sieht der EuGH auch eine Interessenskollision, wenn eine Partei Wettbewerbe genehmigt, die selbst Wettbewerbe durchführt. Um dieser Interessenskollision vorzubeugen, wurde ein extrem strenges Regelwerk vorgeschrieben. Danach muss es eine veröffentlichte Regelung zur Vorabgenehmigung geben, die die Kriterien für diese Genehmigung abschließend und objektiv aufzählt. Ob es so ein Regelwerk seitens der UEFA wirklich gegeben hat, ist ganz aktuell Teil eines hängigen Verfahrens.

WIR PROFIS: Ist durch das Urteil denn sichergestellt, dass Spieler, wenn sie an einem Wettbewerb wie der Super League teilnehmen würden, auch weiterhin für ihre Nationalmannschaft spielen beziehungsweise an anderen FIFA- und UEFA-Wettbewerben teilnehmen dürften?

Mark-E. Orth: Grundsätzlich ja! Es gab vor einigen Jahren einen Fall aus dem Ringersport, bei dem vor dem OLG Nürnberg eine Entscheidung erstritten wurde, nach der eine Benachteiligung oder Nichtberücksichtigung von Athleten wegen der Teilnahme an Konkurrenzwettbewerben streng verboten ist. Des Weiteren hat der EuGH am Tag des Super-League-Urteils noch einmal klar gemacht, dass ein Sportverband keine Verbote gegen seine Athleten erwirken darf, um deren Teilnahme an Konkurrenzwettbewerben zu verhindern. Konkret ging es dabei um den Fall des Eissport-Weltverbands ISU, der die Sportler Mark Tuitert und Niels Kerstholt für deren Teilnahme an einem außerverbandlichen Wettkampf lebenslang sperren wollte. Die rechtliche Grundlage dafür, dass Spieler sowohl an einer etwaigen Super League als auch bei FIFA- und UEFA-Turnieren teilnehmen dürften, ist also gegeben. Ob die Sportverbände nicht trotzdem einen Ausschluss versuchen würden, ist leider eine andere Frage. Gelebte Wirklichkeit und Rechtswirklichkeit sind leider oftmals nicht im Einklang. Das kann sich nur ändern, wenn auch juristisch gegen die rechtswidrigen Drohungen und Kartellrechtsverstöße der Verbände vorgegangen wird. Hier können gerade Spielergewerkschaften wie die VDV eine große Stütze für die Fußballer sein. Gemeinsam lassen sich solche Interessen besser durchsetzen!

WIR PROFIS: Trotz anderslautender Rechtsprechung bliebe also theoretisch das Risiko, dass die Verbände ihren Einfluss nutzen, um die Nichtberücksichtigung auf anderen Wegen durchzusetzen?

Mark-E. Orth: Ja und da braucht man gar nicht so sehr die Theorie bemühen, denn genau solche Dinge passieren leider immer wieder. Und da sind wir wieder bei der Bedeutung des Kartellrechts für Sportler: Eine häufig thematisierte Rechtsfrage ist nämlich beispielsweise, ob Sportverbände von Athleten verlangen dürfen, sogenannte Schiedsklauseln zu unterschreiben. Diese schreiben vor, dass die ausschließliche Sportschiedsgerichtsbarkeit – also die schlussendliche Rechtsprechung in Streitfragen – beim Court of Arbitration for Sport (CAS), dem internationalen Sportgerichtshof, liegt. Das Problem dabei: Der CAS hat seinen Sitz in der Schweiz und dort gibt es in Bezug auf Kartellrechtsverstöße keinen sogenannten „Ordre-Public-Vorbehalt“. Das bedeutet, dass Sportler Schiedssprüche, die gegen Kartellrecht verstoßen, nicht mehr von staatlichen Gerichten überprüfen lassen können. Auf diese Weise entziehen die Verbände den Athleten die Vorteile des Kartellrechts. Umso wichtiger ist es, dass es Vereinigungen wie die VDV gibt, die den Spielern bei solchen Dingen als Gewerkschaft zur Seite steht! Ich sehe es leider in vielen anderen Sportarten, wo es keine Interessensvertretung gibt, dass sich die Athleten gegen so etwas nicht wehren können. Da diese aber in einigen Bereichen gegensätzliche Interessen haben als ihr Verband, braucht es aus meiner Sicht entweder starke Athleten oder eine starke Athleten-Gewerkschaft. Am besten aber natürlich beides!

WIR PROFIS: Beeinflusst das Kartellrecht auch konkrete Regeln, wie sie etwa durch das FIFA-Transferstatut vorgeschrieben werden?

Mark-E. Orth: Wie unlängst im Fall Potocnik (1. FC Köln) zu sehen war, werden die Klubs durch das FIFA-Transferreglement daran gehindert, Spieler, die ihren Vertrag vorzeitig beendet haben, abzuwerben. Diesen Klubs droht dann laut FIFA-Transferstatut eine zweimalige Transferfenstersperre, weil zu ihren Lasten vermutet wird, dass sie den Spieler zum Vertragsbruch angestiftet haben. Genau diese Transfersperre hat sich ja im Fall Potocnik für den 1. FC Köln realisiert. Das gleiche drohte im Fall des Spielers Diarra, wogegen sich aber der Spieler gerichtlich wehrte. Dank der oben erwähnten Rechtsprechung des EuGH war Diarra nicht auf den Schiedsrechtsweg zum CAS beschränkt, sondern konnte das Ganze auch vor ein staatliches Gericht bringen, welches nun wiederum die Frage der Kartellrechtswidrigkeit des Transferstatuts vor den EuGH brachte. Es ging vor dem EuGH eben um die Vermutung, ob ein Klub zum Vertragsbruch angestiftet habe, wenn er einen Spieler vor Ende der Vertragslaufzeit bei einem anderen Klub verpflichtet. Die Vertreter der europäischen Kommission zitierten in der mündlichen Verhandlung die CAS-Entscheidung in Sachen Potocnik um darzulegen, welche wettbewerbsschädliche Auswirkungen die Vermutung für die Freiheit der Spieler hat. In der Verhandlung war deutlich zu merken, dass einzelne, sehr maßgebliche Richter des EuGH, Schwierigkeiten mit dieser Regelung des Transferstatus haben. Die Entscheidung des EuGH die wohl noch etwa fünf Monate dauern wird, dürfte auch für Köln interessant werden. Dann könnte man etwa an Schadensersatzansprüche zugunsten des Vereins denken, sofern das Transferstatut an dieser Stelle kartellrechtswidrig ist.

Werde jetzt VDV-Mitglied:

Weil bei uns der Spieler als Mensch zählt!

Deine Vorteile

Mitgliedsantrag

Vorsorge 

Auf der sicheren Seite!

Die VDV unterstützt ihre Mitglieder bei allem, was Recht ist.