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Lara Schenk

„Wenn wir über die Brücke gehen, liegt der Fokus auf Fußball“

Auf hohem Niveau Fußball spielen und an einer der angesehensten Universitäten der Welt studieren? Was im Normalfall – Fleiß und Engagement vorausgesetzt – maximal ein Entweder-oder-Szenario ist, konnte VDV-Mitglied Lara Schenk dank eines US-Sportstipendiums gleichzeitig erleben. Heute kickt die 24-Jährige beim RSC Anderlecht und hilft anderen Spielerinnen dabei, ähnlich wertvolle Erfahrungen zu machen wie sie selbst.

Die ersten fußballerischen Gehversuche unternahm Lara in Niedersachsen. Zunächst noch als Teil von Jungenmannschaften in ihrer Geburtsstadt Hannover, später dann in den Frauen-U-Teams des VfL Wolfsburg und der deutschen U-Nationalmannschaften. Parallel besuchte sie seit 2005 die ISHR International School Hannover Region, eine internationale Schule in freier Trägerschaft, die Jugendliche im Rahmenwerk der „International Baccalaureate Organisation“ multilingual und ganzheitlich ausbildet. „Dort machen Schüler nicht das normale deutschsprachige Abitur, sondern das zweisprachige International Baccalaureate Diplom“, erklärt Lara. „Die Intention ist natürlich, dass die Absolventen später im Ausland studieren können. Für mich war damals auch relativ schnell klar, dass ich das will.“ Von der Möglichkeit eines Stipendiums als „Student-Athlete“ erfuhr Lara erstmals über ihre DFB-Teamkollegin Laura Freigang. Diese hatte an der Pennsylvania State University studiert und parallel für das Frauenfußballteam der Uni gekickt. „Da habe ich gedacht: Okay, wenn Laura das kann, dann kann ich das vielleicht auch. Also habe ich sie einfach mal angesprochen und sie hat mir wärmstens empfohlen, es zu versuchen.“

er eine Agentur, die Sportstipendien vermittelt, erhielt Lara die Kontakte von 40 bis 50 US-Universitäten, die für sie in Frage kamen. Obwohl sie von der großen Auswahl zunächst „voll überfordert“ war, wuchs ihre Entschlossenheit mit der Recherche; erst recht, als sie einen großen Namen auf der Liste entdeckte: Harvard. „Spätestens da war die Entscheidung, dass ich das wirklich machen will, gefallen. Wenn du die Möglichkeit hast, an einer Elite-Uni einen Abschluss zu machen und gleichzeitig sogar noch Fußball zu spielen – dann musst du das machen.“

Als eines Tages im Jahr 2018 das Bestätigungsschreiben der Harvard University einging, knallten bei Lara die Sektkorken – das Abenteuer College-Fußball konnte endlich beginnen! Als Hauptfach, den sogenannten „Major“, wählte sie Psychologie, als Nebenfach („Minor“) Global Health & Health Policy.

Laras Tagesablauf in den folgenden acht Semestern teilte sich meist in akademische Aktivitäten am Vormittag und sportliche am Nachmittag. An Trainingstagen bedeutete das: Aufstehen, Vorlesungen und/oder Seminare besuchen, Mittagspause, Teamtraining mit anschließendem Mobilitäts- und Regenerationsprogramm, Abendessen, Hausaufgaben, Schlafengehen. Ein ganz schön straffes Pensum also, erst recht für eine 18-Jährige, die gerade ihre ersten Auslandserfahrungen sammelte.

Im Interview mit WIR PROFIS erinnert sich Lara an die intensiven Jahre an der Harvard University und erklärt außerdem, in welchen Bereichen sie sich bei der VDV am stärksten engagieren will.

WIR PROFIS: Lara, acht Semester lang hast du in Harvard halbtags gelernt und die übrige Zeit mit dem Frauen-Fußballteam trainiert. Wie herausfordernd war es, jeden Tag mentale und körperliche Höchstleistung zu bringen?

Lara Schenk: Es war wirklich eine große Herausforderung. Nicht nur das Lehrprogramm, sondern generell der Übergang von der High School zum College-Leben und dass man sich komplett selbst strukturieren musste. Da war es von Vorteil, dass du mit 25 anderen Mädels, die das Ganze vielleicht schon hinter sich haben, in einem Team spielst und dich austauschen kannst. Ich habe das Training auch als angenehmen Ausgleich zu dem ganzen Leistungsdruck in den Kursen empfunden: Das, was in der Uni passiert, nimmst du nicht mit auf den Platz, sondern lässt es drüben. Bei uns war der Athletik-Bereich vom akademischen Teil durch eine Brücke getrennt. Der Unterschied war also geografisch richtig spürbar. Unser Ritual war irgendwann: Wenn wir über die Brücke gehen, liegt der Fokus auf Fußball – gehen wir zurück, ist Lernen angesagt.

WIR PROFIS: Wie war der Uni-Alltag im Vergleich zu dem, was du aus Deutschland kanntest?

Lara Schenk: Ganz anders! Die Uni war nicht nur ein Teil von meinem Leben, sondern 24/7 präsent. Du lebst in deiner eigenen Wohnung auf dem Campus zusammen mit Kommilitonen, die dir aufgrund deiner Persönlichkeit zugewiesen werden. Ich hatte beispielsweise eine Schwimmerin und eine Hockeyspielerin als Mitbewohnerinnen. Da gehst du auch mal mit zu deren Wettkämpfen und schaust dir die anderen Sportarten intensiver an, das fand ich sehr cool. Insgesamt lebst du natürlich behütet, wirst aber trotzdem sehr schnell selbstständig, da du dich komplett selbst versorgen und organisieren musst. Mir hat das großen Spaß gemacht und wenn ich beispielsweise über Weihnachten nach Hause geflogen bin, kam ich mir in Deutschland fast wie eine Fremde vor.

WIR PROFIS: Das klingt so, als sei Harvard nicht nur Bildungseinrichtung, sondern auch sportliche – und kulturelle – Heimat gewesen?

Lara Schenk: Auf jeden Fall! Die Amerikaner lieben halt einfach ihre Unis und den Sport und zelebrieren das total. Du hast diesen richtig coolen Zusammenhalt in kultureller Hinsicht, weil du mit vielen anderen dieselbe Experience teilst; also ein Leben, das zu großen Teilen aus Lernen und Sport besteht. So hast du auf Partys oder im Physioraum immer ein Gesprächsthema mit den anderen. Das gibt dir schon ein gewisses Heimatgefühl.

WIR PROFIS: Wie kam dein Wechsel aus den USA nach Belgien zustande?

Lara Schenk: Im Winter 2022 war ich mit meinem Bachelor-Studium fertig und konnte mir somit auch einen neuen Klub suchen. Irgendwie war ich noch nicht bereit, wieder in Deutschland zu spielen, sondern wollte gerne noch mehr internationale Luft schnuppern. Und natürlich bei einem Klub spielen, bei dem ich möglichst viel Spielzeit bekomme. Diese hat man mir beim Club Brügge mehr oder weniger zugesichert, daher fiel die Wahl auf Belgien. Zumal die Stadt ja auch wirklich schön ist und nicht umsonst zum UNESCO Weltkulturerbe ernannt wurde. Irgendwie wie Amsterdam, nur schöner, kleiner und gemütlicher (lacht).

WIR PROFIS: Nach einem halben Jahr hast du dann aber einen Vertrag beim RSC Anderlecht unterschieben.

Lara Schenk: Genau, die Zeit in Brügge habe ich quasi genutzt, um wieder in Europa Fuß zu fassen. Ich habe dann aber recht schnell gemerkt, dass ich eine neue Herausforderung suche und gerne auch wieder im Europapokal spielen würde. Da kam das Angebot vom RSC Anderlecht, die als amtierender belgischer Meister in der Champions-League-Qualifikation angetreten sind, goldrichtig. In Brüssel herrscht natürlich mehr so Hauptstadt-Feeling, aber auch hier kommen alle möglichen Kulturen und Nationalitäten zusammen: Franzosen, Holländer, Deutsche, Marokkaner. Für mich ist der Fußball nicht nur Beruf, sondern auch ein Schlüssel, um in solche neuen, bunten Umgebungen wie in Belgien oder den USA einzutauchen und mich einzubringen.

WIR PROFIS: Deshalb auch dein Engagement bei Keystone Sports, einer Agentur, die Sportstipendien vermittelt?

Lara Schenk: Genau, meine offizielle Stellenbezeichnung ist Sports and Education Consultant. Ich berate junge Spielerinnen bei ihrer Zukunftsplanung und helfe ihnen – sofern sie sich für College-Fußball entscheiden – bei den Bewerbungsverfahren an den Universitäten. Durch meine eigene Erfahrung weiß ich, dass das eine super Option ist; insbesondere für diejenigen, die nicht sofort einen Profivertrag bekommen. Einfach mal zweigleisig fahren und schauen, wie die Dinge sich entwickeln. Wenn ich nur ein paar Herzen für das Thema College-Fußball öffnen kann, bin ich schon happy! Außerdem ist der Job als Consultant ein super Ausgleich zum Fußball, damit mein Kopf nicht implodiert (lacht).

WIR PROFIS: Du engagierst dich auch bei der VDV. Was sind deine Ziele und Erwartungen an die Spielergewerkschaft?

Lara Schenk: Dass sie mehr und mehr auch zu einer Spielerinnengewerkschaft wird (lacht)! Ich habe in den USA, Kanada und England erlebt, wie viel Gutes Sportlerinnen und Sportler mithilfe von Gewerkschaften erreichen können. Und gerade wir Spielerinnen müssen für unsere Rechte aufstehen und noch viel kämpfen! Die Möglichkeit, bei der VDV eine größere Gruppe aufzubauen, vielleicht einen Spielerinnenrat, finde ich sehr reizvoll. Ich glaube schon, dass, wenn genug Mädels richtig loslegen, bessere Strukturen für Profifußballerinnen geschaffen werden können – vor allem für die nächste Generation. Außerdem liegt mir auch der sportpsychologische Support der VDV sehr am Herzen. In Harvard war es auch so, dass du teilweise unter enormem Druck stehst – sportlich, akademisch aber auch sozial –, weswegen Mental Health dort zurecht sehr groß geschrieben wird. Und hierzulande müssen wir solche Initiativen wie MENTAL GESTÄRKT aus meiner Sicht ebenfalls noch mehr fördern!

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