Weil bei uns der Spieler als Mensch zählt!
In der dritten Auflage
VDV-Bildungstendenzstudie offenbart Handlungsbedarf
Trotz guter Schulbildung bleiben von den Profis nach wie vor große Weiterbildungschancen bei der Vorbereitung auf die nachfußballerische Berufslaufbahn oft ungenutzt. Und auch bei der finanziellen Absicherung der Spieler werden noch längst nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft.
VDV-Bildungstendenzstudie unter wissenschaftlicher Leitung
Das sind die zentralen Ergebnisse der neuen VDV-Bildungstendenzstudie, die unter wissenschaftlicher Leitung von Prof. Dr. Dirk Mazurkiewicz vom ISS – Institut für Sportmanagement der Hochschule Koblenz durchgeführt wurde. An der mittlerweile dritten Auflage der Befragung von Profis der Bundesliga, 2. Bundesliga und 3. Liga beteiligten sich 230 Spieler. Die Teilnehmer hatten ganz überwiegend die deutsche Staatsangehörigkeit und waren im Durchschnitt 24 Jahre alt.
Profis mit guter Schulbildung
Erfreulich ist, dass der Anteil der Profis mit Abitur auf den Rekordwert von 52,6 Prozent gestiegen ist (2015: 49,7 Prozent). Allerdings sank der Anteil der Spieler mit Fachhochschulreife deutlich auf nur noch 13,5 Prozent (2015: 23,1 Prozent). Über einen Realschulabschluss verfügen 30 Prozent der Profis (2015: 26,6 Prozent), über einen Hauptschulabschluss 2,2 Prozent (2015: 0,7 Prozent). Unter dem Strich ist der Anteil der Spieler mit Hochschulzugangsberechtigung zwar gesunken, liegt aber immer noch deutlich über dem Durchschnittswert der Gesamtbevölkerung.
Nur wenige Kicker mit Berufsqualifikationen
Der Anteil der Spieler mit abgeschlossener Berufsausbildung ist ebenfalls auf 19,6 Prozent gestiegen (2015: 13,8 Prozent); ebenso der Anteil der Profis mit abgeschlossenem Hochschulstudium (5,9 Prozent; 2015: 1,5 Prozent). Demzufolge verfügt einer von vier Spielern über eine anerkannte Berufsqualifikation. 23 Prozent der Kicker befinden sich gegenwärtig im Studium (2015: 14,5 Prozent), 3,9 Prozent in einer Berufsausbildung (2015: 20,3 Prozent). Dies bedeutet aber auch, dass fast jeder zweite Profi weder eine Berufsqualifikation besitzt noch dabei ist, eine solche zu erwerben.
Viele Spieler mit vagen Zukunftsplänen
Nur rund jeder dritte Spieler beschäftigt sich häufig mit seiner nachfußballerischen Zukunftsplanung – unabhängig von der Ligazugehörigkeit. Dementsprechend haben die allermeisten Profis noch keinen konkreten Plan B. Zumindest aber ist eine generelle Leistungsbereitschaft erkennbar. Denn nur 0,9 Prozent der Profis wollen sich nach der Spielerkarriere zur Ruhe setzen (2015: 4,1 Prozent). Falls sich für den einzelnen dabei eine Option ergeben sollte, trotz begrenzter Stellen weiter im Fußball-Business zu arbeiten, so würden die meisten Spieler den Trainerjob favorisieren (45,7 Prozent), gefolgt vom Posten des Sportdirektors (28,7 Prozent) und einer Tätigkeit als Spielervermittler (26,1 Prozent; hier waren Mehrfachnennungen möglich).
Optimismus trotz fehlender Qualifikationen
Trotz teilweise noch fehlender Berufsqualifikationen schätzen mehr als zwei Drittel der Profis ihre Chancen gut oder sogar sehr gut ein, ihre späteren beruflichen Pläne realisieren zu können. Nicht ein Einziger schätzte seine Chancen als mangelhaft ein. Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang zudem, dass mehr als die Hälfte der Befragten glauben, dass ihre bis dahin schon erworbenen Qualifikationen bereits voll oder weitestgehend ausreichen. Nur 8,3 Prozent der Spieler sehen diesbezüglich für sich dringenden Handlungsbedarf. Zumindest gibt es in der Breite eine allgemeine Fortbildungsbereitschaft nach der Karriere. Denn neun von zehn Profis streben nach dem Karriereende noch eine Qualifikation an; allerdings hat fast jeder zweite Spieler noch keine genaue Vorstellung davon, welche Qualifikation dies sein soll.
Fast jedem Zweiten drohen finanzielle Probleme
Die Mär von den vielen superreichen Fußballprofis, die bis zum Lebensende finanziell ausgesorgt haben, wird durch die Befragung widerlegt. So gaben lediglich drei Prozent der Befragten an, dass sie ihren Lebensstandard ohne Berufsausübung nach dem Ende der Spielerkarriere auf jeden Fall werden halten können. Zudem glauben die Spieler, dass deutschlandweit mehr als 20 Prozent der aktiven Profis gegenwärtig finanzielle Probleme haben; wobei es keine signifikanten Unterschiede zwischen den einzelnen Ligen gibt. Mit Blick auf die Zukunft erwarten die Spieler sogar, dass deutschlandweit fast jedem zweiten Ex-Profi nach dem Karriereende finanzielle Probleme drohen.
Lücken bei Risikoabsicherung und Vorsorge
Zwar legen die meisten Profis während der Karriere Geld für später zurück; allerdings lassen viele von ihnen Chancen bei der Vorsorge ungenutzt. So nutzen gerade mal 22,2 Prozent der Spieler die Möglichkeiten der betrieblichen Altersversorgung und auch nur 20,4 Prozent verfügen über eine staatlich geförderte Riester-Rente. In eine private Rentenversicherung zahlen lediglich 28,3 Prozent der Spieler ein, in eine Kapitallebensversicherung nur 6,1 Prozent. Lücken gibt es ebenfalls bei der Risikoabsicherung. So verfügen gerade mal 2,6 Prozent der Befragten über eine Kicker-Schutz-Police/Unfallversicherung. Drei-Viertel der Profis haben eine Haftpflichtversicherung und knapp 40 Prozent eine Rechtsschutzversicherung. Über eine private Krankenversicherung mit Krankentagegeldversicherung verfügen rund 90 Prozent der Bundesligaprofis, rund 75 Prozent der Zweitligaspieler, aber nur etwa 40 Prozent der Drittligakicker.
VDV hilft und fordert Verbesserungen
Gemeinsam mit Partnern unterstützt die VDV schon jetzt Spieler bei der Vorbereitung auf die nachfußballerische Berufslaufbahn – beispielsweise mit individueller Laufbahnberatung und maßgeschneiderten Fernstudiengängen sowie mit Finanzcoachings und Vorsorgemöglichkeiten über das DFB-VDV-Versorgungswerk. Dennoch wird durch die Studie einmal mehr klar belegt, dass Klubs und Verbände stärker gefordert sind, wenn es darum geht, die Spieler besser auf die nachfußballerische Berufslaufbahn vorzubereiten. So fordert die Spielergewerkschaft unter anderem Verbesserungen bei der Präventionsarbeit sowie den Aufbau eines Karrierefonds, aus dem nach Karriereende Übergangsgelder an die Spieler ausgezahlt werden. In anderen europäischen Ländern wie Spanien oder den Niederlanden sind derartige Karrierefonds bereits seit langer Zeit etabliert und tragen dazu bei, dass ehemalige Profis nach der Karriere seltener auf staatliche Unterstützung angewiesen sind.
„Die Träume sind größer als der Realismus!“
Prof. Dr. Dirk Mazurkiewicz vom Institut für Sportmanagement und Sportmedizin der Hochschule Koblenz war auch in diesem Jahr wissenschaftlicher Leiter der VDV-Bildungstendenzstudie. Im Interview mit WIR PROFIS erklärt er, welche Möglichkeiten die Bildungslandschaft für Fußballprofis bietet und warum die Chancen auf Jobs im Fußballgeschäft immer weiter sinken.
WIR PROFIS: An der neuen VDV-Bildungstendenzstudie haben sich überdurchschnittlich viele Spieler der 3. Liga beteiligt. Lässt sich daraus ableiten, dass sich Profis aus unteren Ligen eher Gedanken um ihre berufliche Zukunft machen?
Prof. Dr. Dirk Mazurkiewicz: Der Trend ist auf jeden Fall da, lässt aber nicht die Schlussfolgerung zu, dass der Drittligaspieler per se zukunftsorientierter denkt als der Bundesligist. Man muss schon schauen, in welcher Altersphase sich der Spieler befindet: Sehr junge Profis, die noch nicht wissen, ob es mit der Karriere klappt, sehen stärkere Notwendigkeiten für einen Plan B; genauso, wie zum Beispiel ein älterer Spieler, der kurz vor dem Ende der Profikarriere steht. Es ist also nicht eine Frage der absoluten Menge, sondern eher danach, welcher Typ Spieler sich überhaupt an solchen Umfragen beteiligt und ob er repräsentativ für die ganze Gruppe ist. Wir freuen uns jedenfalls, dass wir für alle drei Ligen eine ausreichend große Einheit beisammen haben und glauben, dass wir unser Versprechen, Tendenzen aufzuzeigen, halten können.
WIR PROFIS: Laut der Studie verfügt jeder zweite Spieler weder über eine Berufsausbildung, noch ist er dabei, eine zu erwerben. Ein besorgniserregendes Ergebnis?
Prof. Dr. Dirk Mazurkiewicz: Nein! Man darf nicht vergessen, dass wir hier über gesamtgesellschaftliche Trends sprechen. Wir stellen sehr junge Menschen vor große Fragen der Lebens- und Karriereplanung. Und mit 19 oder 20 gibt es ja viele, die noch nicht wirklich wissen, wo sie stehen. Von daher ist es für mich auch legitim, wenn Spieler in dieser Phase entscheiden, sich voll und ganz auf die Chance zu konzentrieren, im Profifußball Fuß zu fassen. Für mich ist es also nicht prekär, wenn wir diesen Trend bei ganz jungen Spielern feststellen.
WIR PROFIS: ... wohingegen ältere Spieler Gefahr laufen, sich ihre Zukunft zu verbauen.
Prof. Dr. Dirk Mazurkiewicz: Genau, wenn jemand beispielsweise schon den zweiten oder dritten Vertrag in der 3. Liga unterschrieben hat, es mit der Karriere trotzdem nicht bergauf geht und er mit Mitte 20 immer noch keine Alternative in der Tasche hat, dann würde ich schon eher sagen: Die Wahrscheinlichkeit zum ganz großen Vertrag sinkt, nun sollte ein Plan B her. Wenn man daraus einen Trend ableiten will, dann den, dass es diesen Spielern zunehmend schwer fällt, zu reflektieren und die Träume weitaus größer sind als der Realismus.
WIR PROFIS: Warum ist es für alle Profis essenziell, sich schon früh um die Karriere nach der Karriere zu kümmern?
Prof. Dr. Dirk Mazurkiewicz: Die wenigsten Profis haben nach der aktiven Karriere ausgesorgt. Wie wenig es wirklich sind, ist zwar wissenschaftlich bislang nicht ermittelt worden und natürlich gibt es auch Spieler, die sehr lange sehr gut von ihrem Beruf leben können. Aber der Großteil kann das eben nicht. Schon gar nicht bei dem hohen Lebensstandard, den viele von ihnen haben. Es ist also klar, dass ein zweiter Karriereweg beschritten werden muss. Fatalerweise glauben die meisten, sie könnten im Profifußballgeschäft bleiben. Wenn man allerdings mal die freien Positionen in der Branche mit der jährlich aufkommenden Zahl von Fußballern in der Nachkarrierephase vergleicht, stellt man fest: Die Anzahl derer, die im Profifußball unterkommen, ist sehr gering; sogar noch kleiner als die, die vermeintlich „ausgesorgt“ haben.
WIR PROFIS: Trotzdem halten es viele Spieler fast für selbstverständlich, dass sie nach der aktiven Zeit im Fußballgeschäft bleiben können.
Prof. Dr. Dirk Mazurkiewicz: Die Fehleinschätzung des aktiven Spielers lautet meistens: Mein jetziger Status wird mir helfen, im Nachgang Fuß zu fassen. Abseits des Platzes herrscht allerdings ein extremer beruflicher Leistungsdruck: einerseits im sportlichen Bereich, da die Trainer immer jünger und qualifizierter werden. Andererseits auf Managementebene, wo bereits 18-, 19-Jährige von den Klubs ausgebildet und eingestellt werden. Für den Ex-Spieler reicht der Name also bei weitem nicht mehr aus; vielleicht für eine Praktikumsstelle, aber nicht als Qualifikation.
WIR PROFIS: Trotzdem glauben mehr als zwei Drittel der Spieler, dass ihre Chancen auf einen Job nach der Karriere gut stehen. Die Mehrheit weiß aber auch, dass viele Profis nach der Karriere finanzielle Probleme haben. Ein Widerspruch in sich?
Prof. Dr. Dirk Mazurkiewicz: Ja, in gewisser Weise tragen sich beide Ergebnisse. Es ist schon kurios, dass die meisten Spieler zwar wissen, dass viele Profis nach dem Karriereende finanzielle Probleme haben, sie aber trotzdem sagen: Naja, das wird schon irgendwie klappen. Das klappt aber allein schon rechnerisch nicht. Auch weil, wie bereits erwähnt, die Anzahl der freien Stellen im Fußballgeschäft sehr begrenzt ist.
WIR PROFIS: Etwas praktischer gedacht: Was für Möglichkeiten habe ich denn als Profifußballer, mich gezielt auf die Karriere nach der Karriere vorzubereiten?
Prof. Dr. Dirk Mazurkiewicz: Ich denke, dass die Bildungslandschaft für Fußballprofis eine absolut positive Entwicklung genommen hat. Es werden Qualifikationen in sehr vielen Varianten angeboten, zum Beispiel Fernstudiengänge oder Zertifikatsprogramme auf Ausbildungsniveau. Auch wenn man im sportlichen Bereich bleiben will, gibt es Wege, schon frühzeitig die Trainerausbildung zu forcieren. Ich glaube, jeder, der weiß, in welchem Bereich er tätig werden will, der wird schon etwas finden. Man muss nur dran bleiben und darf nicht bei der ersten Barriere gleich straucheln.
WIR PROFIS: Ist die Fähigkeit, einen Bildungsweg parallel zur sportlichen Laufbahn zu beschreiten, ein Plus für einen späteren Arbeitgeber?
Prof. Dr. Dirk Mazurkiewicz: Absolut! Ich kann aus Erfahrung sagen, dass Personalentscheider aus großen und kleinen Unternehmen per se schon viele Eigenschaften honorieren, die im Leistungssport eine Rolle spielen: Disziplin, Teamgeist oder Ehrgeiz. Dieses Plus wird noch größer, wenn man es mit Bildungselementen ergänzen kann und aus dem Lebenslauf ersichtlich wird, dass derjenige in der Lage war, sich neben dem Sport in Themen einzuarbeiten.