Weil bei uns der Spieler als Mensch zählt!
Dr. Egbert Herrmann im Interview mit WIR PROFIS
Vereine für das Thema Spielsucht sensibilisieren
Dr. med. Egbert Herrmann ist ärztlicher Leiter Psychosomatik beim VDV-Gesundheitspartner „medicos.AufSchalke“ und zudem Mitglied der Lenkungsgruppe von MENTAL GESTÄRKT. WIR PROFIS sprach mit dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie über das Thema Spielsucht und mögliche Präventionsmaßnahmen für Klubs.
Dr. med. Egbert Herrmann ist ärztlicher Leiter Psychosomatik beim VDV-Gesundheitspartner „medicos.AufSchalke“ und zudem Mitglied der Lenkungsgruppe von MENTAL GESTÄRKT. WIR PROFIS sprach mit dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie über das Thema Spielsucht und mögliche Präventionsmaßnahmen für Klubs.
WIR PROFIS: Wie lässt sich Spielsucht genau definieren?
Dr. Egbert Herrmann: Die Spielsucht, auch als pathologisches Spielen bezeichnet, ist die Unfähigkeit eines Betroffenen, dem Impuls zum Spielen zu widerstehen, auch wenn es gravierende Folgen im persönlichen, familiären oder beruflichen Umfeld nach sich zieht.
Man kann auch sagen: Einem Spieler ist es nicht möglich, mit dem Glücksspiel aufzuhören, obwohl er weiß, dass es ihm schadet. Die Symptome entwickeln sich langsam, oft vom Betroffenen oder dem Umfeld unbemerkt. Neben dem Drang zu spielen, entstehen eine verstärkte Reizbarkeit, Konzentrations- und Schlafstörungen, Unruhe sowie Depressionen.
WIR PROFIS: Wie viele Menschen in Deutschland sind in etwa betroffen?
Dr. Egbert Herrmann: Schätzungen gehen von 100.000 bis 300.000 Betroffenen aus. Realistisch erscheint mir eine Zahl von 150.000 Betroffenen in Deutschland. Es sind deutlich mehr Männer als Frauen betroffen.
WIR PROFIS: Gibt es bestimmte Risikofaktoren, die die Spielsucht bei Fußballprofis begünstigen?
Dr. Egbert Herrmann: Vermutlich liegen Wechselwirkungen zwischen genetischen, psychosozialen und biologischen Ursachen vor. Es ist durchaus möglich, dass insbesondere den psychosozialen Faktoren bei Fußballern eine besondere Bedeutung zukommt. Risikofaktoren können zum Beispiel das junge Alter, der nur schwierig zu erlernende Umgang mit großen Verdienstmöglichkeiten oder die Verfügbarkeit des Geldes sein. Sicherlich kommt auch der Abbau von inneren Anspannungen dazu. Eine Rolle kann auch spielen, dass es sich bei der Spielsucht um eine nicht-stoffgebundene Sucht handelt, bei der – anders als beispielsweise bei Alkohol oder Drogen – der Körper primär nicht beschädigt wird.
WIR PROFIS: Gibt es Korrelationen mit anderen psychischen Erkrankungen?
Dr. Egbert Herrmann: Es gibt bei der Spielsucht eine deutlich erhöhte Korrelation zu den Depressionen. Diese verstärken sich im Laufe der Zeit. Im weiteren Verlauf kann es bis hin zu suizidalen Gedanken kommen, auch Ängste können sich entwickeln. Besonders problematisch ist aber auch die sich oft verstärkende psychosoziale Belastung mit familiären, beruflichen, finanziellen und teilweise juristischen Konsequenzen.
WIR PROFIS: Wie können Vereine der Entwicklung von Spielsucht entgegenwirken?
Dr. Egbert Herrmann: Derzeit wird die Spielsucht häufig nicht wahrgenommen. Wichtig ist, dass Trainer und Betreuer sich der verändernden Verhaltensweise von Betroffenen bewusst werden und diese wahrnehmen. Wichtig erscheint mir, dass Vereine zunächst für dieses Thema sensibilisiert werden.
WIR PROFIS: Woran können Außenstehende Spielsucht erkennen?
Dr. Egbert Herrmann: Die Symptome einer Spielsucht beginnen schleichend und sind deshalb für Laien aber auch für Profis oft schwer zu erkennen. Veränderungen des Verhaltens von Betroffenen, Rückzug, Schulden, Leihen von Geld oder Unruhe können mögliche Symptome eines Spielers sein. Wenn diese vorliegen, sollten die Betroffenen darauf angesprochen werden. Weitere Anzeichen können Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen sowie eine wechselnde Stimmungslage sein; denkbar sind auch Notlügen der Betroffenen.
WIR PROFIS: Wie kann einem Spielsüchtigen im ersten Schritt durch sein Umfeld geholfen werden?
Dr. Egbert Herrmann: Das Wichtigste ist, die Verhaltensweisen zu beobachten und die Betroffenen in einem geeigneten Rahmen darauf anzusprechen. Vorwürfe sind kontraproduktiv und führen eher zu Ablehnung und Verleugnung. Ein großer Fehler ist es, Symptome zu ignorieren: Dies führt oft zu einem Fortschreiten der Symptomatik. Wichtig ist es dann, die Betroffenen der professionellen Hilfe zuzuführen. Dies können insbesondere Psychiater, Psychotherapeuten, Fachkliniken, Suchtberatungsstellen oder auch die Selbsthilfe sein. Hierbei ist es wichtig, dass darauf geachtet wird, dass die Therapeuten über einen entsprechenden Erfahrungsschatz in der Behandlung Spielsüchtiger verfügen. Auch MENTAL GESTÄRKT als Ansprechpartner für psychische Gesundheit im Leistungssport ist sicherlich eine geeignete Anlaufstelle.
Infos im Netz:
www.mentalgestaerkt.de
www.medicos-AufSchalke.de