Weil bei uns der Spieler als Mensch zählt!
Reporter-Legende Werner Hansch über seine Glücksspielsucht
„Ich habe die rote Linie nicht gesehen“
Für die WIR PROFIS Ausgabe 4/2020 sprachen wir mit Werner Hansch über die Entstehung seiner Glücksspielsucht, die Rolle von Sportwettangeboten und sinnvolle Präventionsmaßnahmen.
Noch heute gibt es wohl kaum einen Fußball-Fan, der seine Stimme nicht kennt: Werner Hansch (82) war der Öffentlichkeit lange nur als Sport-Reporter und TV-Kommentator bekannt. Das änderte sich im Sommer dieses Jahres, als der gebürtige Recklinghäuser die Reality-Show Promi Big Brother gewinnen konnte und dort einem Millionenpublikum seine Glücksspielsucht offenbarte. WIR PROFIS sprach mit Werner Hansch über die Entstehung der tückischen Krankheit und wie er zukünftig andere davor bewahren will.
WIR PROFIS: Werner Hansch, wie geht es Ihnen knapp drei Monate nach Ihrem Sieg bei Promi Big Brother?
Werner Hansch: Definitiv besser als noch vor vier Monaten! Die Teilnahme an der Show war für mich in doppelter Hinsicht ein Erfolg. Zum einen war ich stolz, in meinem Alter überhaupt noch ein solches Format durchstehen zu können. Ich hatte sogar den Eindruck, dass ich fitter war als so mancher jüngere Teilnehmer. Zum anderen war es natürlich ein großer Befreiungsschlag für mich, die Show zu gewinnen; vor allem finanziell.
WIR PROFIS: Befreiend war sicher auch, dass Sie im Rahmen der Show Ihre Krankheit öffentlich gemacht haben. Wie sind Sie glückspielsüchtig geworden?
Werner Hansch: Das ging los, als ich mich schon im gesegneten Alter von fast 70 Jahren befand und finanziell eigentlich abgesichert war. Ich lebte zwar nicht im Luxus, aber auf einem durchaus angenehmen Niveau. Dann lief ich eines Tages zufällig an einem Wettgeschäft in Recklinghausen vorbei: Die Tür stand auf, es roch nach Qualm und hörte sich durchaus stimmungsvoll an. Deshalb habe ich kurz meinen Kopf durch die Tür gesteckt, woraufhin mich einige Leute erkannten und hereinriefen. Der erste sagte auch gleich: „Hör mal, hier läuft gleich ein Pferd in Paris, das kann gar nicht verlieren. Willst du mitmachen?“. Ich entgegnete: „Ja, setz mal 20 Euro.“ Und wie der Teufel es so wollte, habe ich tatsächlich gewonnen und 40 Euro wieder rausbekommen. Ich habe dann mein Geld genommen und mich verabschiedet…
WIR PROFIS: …aber der Abschied war nicht von Dauer.
Werner Hansch: Nein, nach 14 Tagen war ich wieder in Recklinghausen und bin wieder an demselben Laden vorbeigegangen. Diesmal stand die Tür nicht auf – aber ich habe sie aufgemacht. Ich habe angefangen, mich intensiver mit Pferdewetten zu beschäftigen und mir selbst ein Pferd ausgesucht, von dem ich dachte, es würde gewinnen. Tja, so fing alles an. Und dann ging es rapide hinunter in die Sucht, oder besser gesagt: Die Schlucht, denn ich bin sehr hart auf dem Boden aufgeschlagen. Am Ende war ich so weit, dass ich nicht nur meinen Verstand verloren hatte, sondern auch meinen Willen, meine Kontrolle, das Vertrauen meines Umfelds und natürlich mein Geld.
WIR PROFIS: Welche Rolle haben Fußball-Wettangebote bei Ihrer Sucht gespielt?
Werner Hansch: In meinem Fall tatsächlich keine so große, da ich ausschließlich über Pferdewetten abgestürzt bin, die medial nicht ganz so präsent sind wie Fußball-Wetten. Man hätte natürlich annehmen können, dass gerade ich mich von den zahlreichen Anbietern im Fußballumfeld verleiten lasse, aber das war nur bedingt der Fall. Ich habe zwar sporadisch auch auf Bundesligaspiele gewettet, aber der wirkliche Absturz kam mit den Pferderennen. Nichtsdestotrotz sind die vielen Wettanbieter im Fußball natürlich ein Jammer. Ich kann auch nicht verstehen, dass Ex-Spieler ihr Gesicht ständig für große Wettanbieter in die Kamera halten. Die haben das doch gar nicht nötig!
WIR PROFIS: Welchen Umgang mit Sportwetten würden Sie sich von Spielern und Klubs wünschen?
Werner Hansch: Ach, die Klubs haben ja selbst alle Verträge mit Wettanbietern. Man kann schlecht von ehemaligen Spielern verlangen, die Finger von solchen Werbeverträgen zu lassen, wenn der Ex-Klub selbst mit drinhängt. Aber da es legal ist, wird man mit Forderungen nach mehr Rücksichtnahme wahrscheinlich auf taube Ohren stoßen. Zumal der Staat ja selbst etwa Milliarden pro Jahr von der Glücksspielwiese erntet. Demnächst wahrscheinlich sogar noch mehr, denn seit dem 15. Oktober gelten Online-Casinos offiziell als legal, sofern sie einige Auflagen des im nächsten Jahr in Kraft tretenden Glücksspielstaatsvertrags erfüllen. Ich sehe darin eine ganz, ganz große Gefahr; vor allem für junge Menschen, die ihr Smartphone immer dabeihaben und für solche Angebote besonders empfänglich sind.
WIR PROFIS: Wie kann man gefährdete Personen, egal ob jung oder alt, am besten vor Spielsucht schützen?
Werner Hansch: Mit Verboten jedenfalls nicht. Wie gut das funktioniert, haben wir ja beim Rauchen erlebt: Da hat der Staat ziemlich rigoros eingegriffen, auch in die Werbung. Trotzdem kaufen immer noch Millionen Deutsche täglich Zigaretten. Beim Alkohol hat man es noch nicht einmal versucht, weil die gesellschaftliche Akzeptanz viel zu groß ist. Angewohnheiten wie Rauchen, Trinken, Spielen oder Wetten kann der Staat aus meiner Sicht nur schwer regulieren. Deshalb muss man von der anderen Seite kommen und die Leute aufklären.
WIR PROFIS: Also Informieren statt Regulieren?
Werner Hansch: Genau, Prävention und Aufklärung sind die Schlüsselbegriffe. Ich kann einem Menschen schlecht verbieten, für drei Euro seinen Lottoschein auszufüllen. Ich kann ihm aber dabei helfen, frühzeitig zu erkennen, wenn er sich der „roten Linie“ nähert; also dem Punkt, an dem das Spielen beginnt, den Alltag zu beeinflussen. Denn dann sollte man innehalten und sich Hilfe holen. Das war mein Problem: Ich habe diese rote Linie nicht gesehen. Mein Verstand war komplett weg, mein Wille und meine Hemmungen ebenfalls – alles war weg. Bis ich mir professionelle Hilfe geholt habe.
WIR PROFIS: Mittlerweile engagieren Sie sich selbst im Kampf gegen die Glücksspielsucht. Wie genau wollen Sie andere vor der Krankheit warnen?
Werner Hansch: Ich bin mittlerweile offiziell Botschafter des bundesweiten Fachverbandes Glücksspielsucht e.V. Aktuell befinden wir uns im Gespräch über konkrete Einsatzmöglichkeiten für mich. Meine Idee ist es, eine Kampagne zu starten, die sich in Form von Diskussionsrunden an Schüler, beispielsweise gymnasiale Oberstufen und Berufsschulen, richtet. Ich als Betroffener könnte dort meine Geschichte erzählen und erläutern, wie ich an die besagte rote Linie gelangt bin, beziehungsweise sie überschritten habe. An meiner Seite säße ein Suchtexperte, der den Teilnehmerinnen und Teilnehmern dann genau erklären könnte, wo und ab wann sie sich Hilfe suchen sollten. Ich habe solche Veranstaltungen bereits in der Vergangenheit zusammen mit Uli Borowka durchgeführt, der dort über seine Alkoholabhängigkeit sprach. Deshalb weiß ich, dass so etwas deutlich mehr bringt, als wenn man den administrativen Weg geht und versucht, Verbote zu erzwingen.
WIR PROFIS: Lassen Sie uns abschließend noch über Schöneres reden, schließlich kennt Sie ganz Deutschland in erster Linie als Fußball-Experte und Reporter. Können Sie sich aktuell trotz fehlender Stadionatmosphäre an der Bundesliga erfreuen?
Werner Hansch: Naja, so richtig Spaß macht es mir nicht, diese Geisterspiele zu gucken, aber man muss es hinnehmen. Vieles, was aktuell auf dem Platz passiert, ist fußballerisch interessant, aber es fehlt natürlich eine komplette Dimension dessen, was den Sport normalerweise ausmacht. Ich konnte mich aber zum Beispiel sehr über den Champions-League-Sieg der Bayern freuen, die für mich ohnehin die Mannschaft der Stunde sind. Und mal ehrlich: Gäbe es die Geisterspiele nicht, gäbe es bald auch die Bundesliga in ihrer jetzigen Form nicht mehr.
WIR PROFIS: Anfang des Jahres haben Sie beim Streamingdienst DAZN ihr Comeback als Kommentator gegeben. War das eine einmalige Sache oder dürfen wir Sie in Zukunft vielleicht noch öfter hören?
Werner Hansch: Ich habe damals zusammen mit meinem ehemaligen Schüler Daniel Günther das Spiel BVB gegen Frankfurt kommentiert. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht und es würde mir auch in Zukunft sicher Spaß machen. Aber mal ehrlich: Wie will man der heutigen Jugend einen Kommentator in meinem Alter noch vermitteln? Wenn ich dann mal einen Fehler mache – und den würde ich bestimmt machen – gibt es direkt ein Shitstorm in den sozialen Medien. Die Leute würden schreiben: „Was will der alte Sack noch da?“ (lacht).