Weil bei uns der Spieler als Mensch zählt!
VDV-Recht: Fragen und Antworten der Spielergewerkschaft
Tarifverträge als Chance für den Profifußball
Vor dem Hintergrund der aktuellen Presseberichterstattung beantworten VDV-Justiziar Dr. Frank Rybak und VDV-Geschäftsführer Ulf Baranowsky noch einmal grundlegende Fragen zu Tarifverträgen im Profifußball.
Warum fordert die VDV Tarifverträge für den deutschen Profifußball?
Ulf Baranowsky: Der Abschluss von Tarifverträgen ist satzungsgemäßes Ziel der VDV. Durch Tarifverträge können ausgewogene, faire und rechtssichere Lösungen auf Augenhöhe zwischen Arbeitsgebern und Arbeitnehmern geschaffen werden. Dies sind bekanntlich wesentliche Voraussetzungen für Stabilität und eine erfolgreiche ökonomische Weiterentwicklung. Insofern profitieren Arbeitgeber und Arbeitsnehmer gleichermaßen.
Welche Inhalte können Tarifverträge haben?
Ulf Baranowsky: In einem Kollektivarbeitsvertrag können – genauso wie in einem individuellen Arbeitsvertrag – alle für das Arbeitsverhältnis relevanten Punkte geregelt werden. Es können aber auch tarifliche Vereinbarungen geschlossen werden, in denen nur ein einziger Sachverhalt geregelt wird. Dazu ein aktuelles Beispiel: Das Bundesarbeitsgericht wird wohl schon bald im Fall des ehemaligen Mainzer Torhüters Heinz Müller darüber zu entscheiden haben, ob dessen zunächst befristetes Arbeitsverhältnis auf der Grundlage des Teilzeit- und Befristungsgesetzes in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übergegangen ist. Das Gesetz sieht nämlich vor, dass eine Befristung grundsätzlich nur für einen Zeitraum von maximal zwei Jahren möglich ist, außer es liegt ein dem entgegenstehender Sachgrund vor. Sollte das Gericht für den Torhüter entscheiden, hätte dieses Urteil immense Auswirkungen auf die Transferpraxis und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Bundesliga. Das nun bestehende Prozessrisiko hätte von Seiten der Arbeitgeber aber verhindert werden können; denn der Gesetzgeber hat den Tarifvertragsparteien ausdrücklich das Recht eingeräumt, die zulässige Befristungsdauer durch Abschluss eines entsprechenden Tarifvertrages zu verlängern. Die VDV hat diesbezüglich ihre Verhandlungsbereitschaft mehrfach geäußert.
Welche weiteren Punkte konnten in einem Tarifvertrag für den Profifußball geregelt werden?
Dr. Frank Rybak: Ein Top-Thema ist für uns der Beschäftigungsanspruch, also der Anspruch des Spielers auf Teilnahme am Training der Lizenzmannschaft mit allem, was damit verbunden ist: Platz in der Kabine, Platz auf dem Mannschaftsfoto, entsprechende Ausstattung, ärztliche und physiotherapeutische Behandlung. Zudem fordern wir beispielsweise eine freie Arztwahl sowie Verbesserungen beim Schutz der Spielerdaten oder auch Einschränkungen des Haftungsrisikos der Profis bei Vermarktungsangelegenheiten.
Welche Vorteile könnte ein Tarifvertrag bei dem Dauerthema Vertragstrafen bringen?
Dr. Frank Rybak: Laut DFL-Musterarbeitsvertrag soll jeder Verein für sich einen Strafenkatalog mit Sanktionshöhe entwerfen, der dem Vertrag beigefügt wird. Damit wäre in jedem Einzelfall aufwendig zu prüfen, ob eine ausgesprochene Vertragsstrafe überhaupt rechtmäßig ist. In einem Tarifvertrag hingegen könnten Vertragstrafen bei klar definierten Hauptpflichtverstößen rechtssicher vereinbart werden; beispielsweise für den Fall, dass ein Spieler gar nicht zur Arbeit erscheint. Auf der anderen Seite wäre es dann aber auch möglich, dass Spieler Vertragsstrafen gegen ihre Klubs aussprechen; zum Beispiel dann, wenn das Gehalt nicht pünktlich gezahlt wird.
Zudem macht sich die VDV bekanntlich – parallel zum bestehenden DFB-VDV-Versorgungswerk – auch für Verbesserungen im Bereich Vorsorge stark.
Dr. Frank Rybak: Wir denken schon lange an einen Karrierefonds für Profifußballer, aus dem beispielsweise nach der Karriere ein Übergangsgeld bezahlt werden könnte. Damit könnten sich insbesondere Spieler, die nicht so viel verdient haben, ohne wirtschaftlichen Druck und öffentliche Hilfsgelder eine neue berufliche Existenz aufbauen. Ein entsprechendes Konzept haben wir kürzlich gemeinsam mit unserem Partner PwC der DFL vorgestellt. Allerdings wurde auch diesbezüglich geblockt.“
Warum gibt es noch keine Tarifverträge im deutschen Profifußball?
Ulf Baranowsky: Im internationalen Vergleich sind die gesetzlichen Schutzbestimmungen für Arbeitnehmer in Deutschland recht hoch; dies mindert natürlich den Leidensdruck und die Bereitschaft zum Arbeitskampf. Darüber hinaus hat die VDV in der Vergangenheit zahlreiche Erfolge auf dem Klageweg erzielt, die häufig zu Anpassungen der Musterarbeitsverträge der Verbände geführt haben. Dies gilt beispielsweise für die Berücksichtigung von Leistungsprämien bei der Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall oder auch für die Geltendmachung des Anspruchs auf Urlaubsentgelt.
Im Rahmen der bestehenden Kooperation mit der DFL ist die VDV auch intensiv in die Neufassung des Musterarbeitsvertrages für Lizenzspieler eingebunden worden. Dies geschieht nicht nur, um das Klagerisiko zu minimieren, sondern auch um berechtigten Interessen der Profis gerecht werden zu können. Zahlreiche unserer Verbesserungsvorschläge sind bei der Neugestaltung auch berücksichtigt worden. Dennoch tragen wir den neuen DFL-Musterarbeitsvertrag nicht mit, da er für die Spieler mehr Nachteile als Vorteile bringt und empfehlen daher unseren Mitgliedern, notwendige Änderungen individuell mit ihren Klubs zu vereinbaren.
In anderen großen Fußball-Nationen wie England und Spanien sind Tarifverträge selbstverständlich.
Dr. Frank Rybak: In England und Spanien werden die Spieler von ihren Klubs grundsätzlich bis zum Vertragsende bezahlt – unabhängig davon, ob sie lange verletzt oder krank sind. Sechs Wochen in der Bundesliga sind hingegen sehr kurz – und ein Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Top-Ligen. Wir müssen Arbeitsbedingungen schaffen, die die Bundesliga für Spieler, auch Weltstars, attraktiver machen. Das geht nur über Bedingungen, die über den gesetzlichen Mindeststandard hinausgehen.
Zum Interview mit Dr. Frank Rybak zum neuen DFL-Musterarbeitsvertrag (WIR PROFIS 3/2016)