News

Hans Sarpei im Inteview

Wirksame Rezepte gegen Rassismus

Wenige (Ex-)Profis setzen sich so engagiert gegen Rassismus und Diskriminierung ein wie VDV-Mitglied Hans Sarpei (44). Einerseits, weil er als Deutsch-Ghanaer Fremdenhass oft genug am eigenen Leib erfahren hat, andererseits, weil er auch die verbindende Kraft des Fußballs genau kennt. WIR PROFIS sprach mit Hans über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von Rassismus im Fußball.

WIR PROFIS: Hans, du hast deine Profikarriere in Deutschland Mitte der 1990er Jahre begonnen. Was hat sich seitdem beim Thema Prävention von Rassismus und Diskriminierung getan?

Hans Sarpei: Einerseits natürlich sehr viel, da das Thema mittlerweile viel mehr Aufmerksamkeit bekommt. Als ich angefangen habe, konnten im Stadion 10.000 Leute das N-Wort rufen und Bananen schmeißen, ohne dass es jemanden groß interessiert hätte. Die Anzahl schwarzer Spieler hat sich seitdem ja auch stetig erhöht. Trotzdem gibt es nach wie vor Zwischenfälle in Stadien, wo ich denke: Eigentlich müssten wir schon viel weiter sein.

WIR PROFIS: Wie bist du mit Angriffen der angesprochenen Art umgegangen?

Hans Sarpei: So etwas hat mich natürlich getroffen, aber ich habe versucht, es in Motivation umzuwandeln. Nach dem Motto: Jetzt zeige ich es euch erst recht! Aber nach dem Spiel habe ich mir schon Gedanken gemacht und mich gefragt, warum es diesen Hass gegen mich und meine Hautfarbe gibt. Vieles hat man damals in sich reingefressen. Es gab ja noch keine sozialen Medien, die man als Ventil hätte nutzen können. Und von den Vereinen oder der Presse gab es keine Hilfe. Es hieß immer nur: Da musst du jetzt durch.

WIR PROFIS: Im Zuge von „Black Lives Matter“ gingen und gehen in Fußball-Stadien Spieler gegen Rassendiskriminierung auf die Knie. Glaubst du, dass diese Gesten zu Verbesserungen führen, oder ist das nur Symbolpolitik?

Hans Sarpei:
 Natürlich ist es gut, dass dadurch mediale Aufmerksamkeit für das Thema geschaffen wird, aber das allein reicht natürlich nicht. Wenn danach nichts passiert, knien wir in 20 Jahren noch. Zumal es diese Medienwirksamkeit im Amateurfußball praktisch nicht gibt. Dort können jedes Wochenende irgendwelche Bekloppten rassistische Sprüche rufen, ohne dass es jemand mitbekommt. Deshalb finde ich den Ansatz der Prävention viel wichtiger.

WIR PROFIS: Du arbeitest viel mit Kindern zusammen und nutzt dabei den Fußball zur Aufklärungsarbeit …

Hans Sarpei: Ich glaube „Aufklärung“ ist das falsche Wort. Kinder spielen einfach zusammen und haben Spaß – die müssen nicht aufgeklärt werden. Sie nehmen erst einmal alles als gegeben hin. Diese Person hat eine andere Hautfarbe und diese hier eine andere Religion? Okay, cool! Nur irgendwann kommen sie dann in die Schule und lernen nur noch das, was auf dem Lehrplan steht – aber nicht mehr sich gegenseitig kennen. Deshalb versuche ich, das in meine Arbeit mit Jugendlichen zu integrieren.

WIR PROFIS: Wie machst du das konkret?

Hans Sarpei: Ich versuche, Analogien zwischen dem Fußball und der Gesellschaft herzustellen. Beispielsweise indem ich die Kids verschiedene Passformen und Laufwege üben lasse und das Ganze mit den unterschiedlichen Blickwinkeln einzelner Personen oder Kulturen vergleiche: Der Passweg zwischen dir und deinem Mitspieler mag der gleiche sein – aber der Blickwinkel ist ein ganz anderer.

WIR PROFIS: In Fußballteams spielen Menschen unterschiedlichster Herkunft und Religion zusammen – ist man als Mannschaftssportler daher ein Stück weit immun gegen rassistisches Gedankengut?

Hans Sarpei: Ja, auf jeden Fall! Rassismus ist fast nie ein Thema innerhalb einer Mannschaft, sondern wird von außen herangetragen. Die Spieler haben alle das gleiche Ziel und sind aufeinander angewiesen, wenn sie es erreichen wollen. Da ist es total egal, woher der Mitspieler kommt oder wie er aussieht. Deshalb finde ich es auch ein bisschen albern, wenn Mannschaften bei UEFA-Wettbewerben oder Länderspielen Anti-Rassismus-Plakate hochhalten. Wenn ich gegen Rassismus bin, muss ich das nicht auf Plakate schreiben, sondern entsprechend agieren.

WIR PROFIS: Was würdest du dir stattdessen wünschen?

Hans Sarpei: Der DFB könnte sich zum Beispiel mehr bemühen, Freundschaftsspiele in den Ländern auszutragen, in denen einige deutsche Nationalspieler ihre Wurzeln haben. Durch die Berichterstattung würde man automatisch mehr über diese Länder und ihre Kultur erfahren; vielleicht auch darüber, warum Menschen diese Länder verlassen haben. Das würde den Horizont der Leute erweitern, ohne dass ständig über allem das Thema Rassismus schwebt. Ich würde mir auch wünschen, dass die Vereine ihre Spieler nicht immer nur auf Marketing-Reise nach Amerika oder Asien schicken. Ich verstehe zwar, dass die ihre Trikots verkaufen wollen, aber man könnte ja auch die zweite Mannschaft oder die Traditionself in Länder reisen lassen, über die man hier nicht so viel weiß, und das Ganze über Social Media verbreiten.

WIR PROFIS: Wie stehst du zu einer Quotenregelung, um der Unterrepräsentation von Nicht-Weißen in administrativen Positionen des Fußballs entgegenzuwirken?

Hans Sarpei: Da bin ich überhaupt kein Fan von. Am Ende des Tages zahlt sich Qualität immer aus und so wird es auch hier sein. Als ich Profi wurde, gab es pro Mannschaft vielleicht zwei schwarze Spieler – heute sind es zehn oder mehr. Und genauso wird es sich auch mit den Führungspositionen verhalten: Es wird die Zeit kommen, in der mehr und mehr Farbige als Trainer oder im Sportvorstand tätig sind. Es wäre nur schön, wenn es nicht nochmal zwanzig Jahre dauern würde.


HANS SARPEI …

… lesen: In seinem neuen Buch „Hans Sarpeis Fußballküche: Die ultimative Ernährung“ gibt Hans nicht nur wertvolle Tipps für eine gesunde, sportgerechte Ernährung, sondern liefert die passenden leckeren Rezepte gleich mit.

… hören: Jeden Dienstag unterhält sich Hans im SWR3 Podcast „Brücken bauen“ mit Gästen über Diskriminierung, Migration und Rassismus.

… sehen: In der TV-Doku „Abgestempelt: Hans Sarpei will’s wissen“ geht Hans Themen wie Jugendkriminalität, Kinderarmut und Ausländerfeindlichkeit auf den Grund.

Werde jetzt VDV-Mitglied:

Weil bei uns der Spieler als Mensch zählt!

Deine Vorteile

Mitgliedsantrag